Ihr seht ein Photo von dem Modell für unsere neuen Kirchenfenster, das der Künstler Uwe Appold für uns angefertigt hat. Es handelt sich um fünf zusammenhängende Bilder. Sie sind nicht gegenständlich, das heißt wir sehen keine Bilder im landläufigen Sinne. Keiner von euch wird außer Formen und Farben auf den ersten Blick erkennen, um was es geht. Um einen Zugang zur Bedeutung der Fenster zu bekommen, müssen wir uns mit den Formen und den Farben intensiver beschäftigen und uns von dem Künstler hinein nehmen lassen in die von ihm geschaffene Symbolik. Thema aller fünf Bilder ist Jesus Christus. Damit stehen die Bilder in einer Verbindung zu dem zentralen Christusbild über dem Altar, das unsere Kirche bestimmt. Bereits auf den ersten Blick lässt sich erkennen, dass die fünf Fenster eine Mitte haben. Das dritte Fenster steht im Zentrum. Es leuchtet durch seine Farben hervor und nimmt durch das große blaue Quadrat die Mitte ein. Zusätzlich sind auf den beiden äußersten Fenstern aus Edelstahl jeweils zwei Umrisse von Fischen angebracht. Sie zeigen in die Mitte und weisen so auf das mittlere Fenster hin. In der Scheibe, die für das große blaue Quadrat vorgesehen ist, gibt es noch eine Besonderheit. Ohne Absicht des Glasbläsers ist in dieser Scheibe der Umriss eines Fisches entstanden. Der Fisch ist seit den Tagen der ersten Christen ein Christuszeichen. Die Buchstaben des griechischen Wortes für Fisch (ICHTYS) lassen sich verstehen als die Anfangsbuchstaben der Worte, die ein christliches Glaubensbekenntnis ergeben: „Jesus Christus, Gottes Sohn, Retter“. Deshalb haben die frühen Christen das Symbol des Fisches so gerne benutzt. Im Fußboden unserer Kirche ist wie im blauen Quadrat des mittleren Fensters ein Fischzeichen zu sehen. Es ist ohne künstlerische Absicht in den Sohlenhofener Platten des Kirchenfußbodens entstanden. Uwe Appold wusste von diesem Christuszeichen am Fußboden der Kirche und hat deswegen in seine Fenster ebenfalls das Fischzeichen als Christuszeichen aufgenommen. Ein anderes Christuszeichen findet sich auf jedem einzelnen Fenster. Durch die Edelstahlstangen, die auf den Gläsern montiert werden entstehen auf jedem Fenster die griechischen Buchstaben „jota“ (= „J“) und „chi“ (= „Ch“). Das sind im Griechischen – also in der Sprache, in der das Neue Testament geschrieben wurde – die Anfangsbuchstaben des Namens Jesus Christus. Damit ist bei jedem Fenster klar: Hier wird nicht etwas beliebiges dargestellt. Jedes Fenster dient zum Lob Christi und ist mit seinem Namen gekennzeichnet. Noch ein Zeichen ist auf allen fünf Fenstern zu finden. Traditionell ist die Zahl „fünf“ in der christlichen Kunst mit den fünf Wundmalen Christi verbunden. Uwe Appold hat deshalb in jedem Fenster eine rote Scheibe vorgesehen. Diese unterschiedlich großen roten Elemente sollen auf jedem Fenster daran erinnern, dass Christus uns durch sein Leiden, sein Blut, ja seinen Tod am Kreuz (Phil 2,8) erlöst hat.
Auch auf dem ersten Fenster, das heute im Mittelpunkt der Predigt steht, finden sich beide Zeichen. Das Christusmonogramm steht am unteren linken Rand. Das rote Glas mit dem Hinweis auf die Wundmale Christi ist in diesem Fenster nur ein kleiner roter Strich, der am oberen Rand in der Mitte angebracht ist und mit einem blauen Stück Glas kontrastiert wird. Damit ist das Fenster gezeichnet. Es soll selbst ein Zeichen für Jesus Christus sein. Das erste Fenster eröffnet die Reihe mit hellen Farben. Weiß und Grau bestimmen den Gesamteindruck. Die große Scheibe ist milchig weiß. Graue Streifen sorgen für Abwechslung. Die Scheibe ist oben heller als unten. Sie ist auch oben breiter als unten. Beides ist nicht zufällig sondern steht in enger Verbindung zu dem Christuspsalm aus dem Philipperbrief, den wir bereits am Anfang des Gottesdienstes miteinander gebetet haben. Das Grau in der Scheibe weist uns hin auf das Hauptstichwort „er entäußerte sich selbst“ in Phil 2,7. Christus entäußerte sich aller himmlischen Herrlichkeit. Er verließ den himmlischen Thronsaal um auf der Erde eine „graue Maus“ zu werden. „Er der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt.“ Das Hinabsteigen Christi vom Himmel auf die Erde wird in dem Fenster sichtbar durch den Verlauf der Farben vom himmlischen Weiß zum dunklen menschlichen Grau in dem Jesus auf dieser Welt gelebt hat. Dass Jesus nicht im Grau der Welt aufgegangen ist, sonder immer noch Gott ist, ist für uns schwer zu begreifen. Viele Menschen blenden heutzutage die Wahrheit aus, dass Jesus im vollen Sinne Gott war. Da wird dann von Jesus als einem vorbildlichen Menschen gesprochen oder von einem „Religionsgründer“ wie es viele in der Welt gab. Dass aber Jesus Gott war und das von Anfang an, scheint schwer begreiflich. Die Lesung aus dem Johannesevangelium (Joh 1,1-4+14) hat uns das in den biblischen Worten vor Augen gestellt. Der Schreiber des Evangeliums verwendet für Jesus die Bezeichnung „das Wort“. Er kann damit sagen, dass Jesus Gott ist und das man ihn doch noch von Gott unterscheiden kann. Er ist Gottes Wort, das untrennbar zu Gott gehört, aber doch etwas eigenes ist: „Am Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort.“ (Joh 1,1) Dass Gottes Wort Mensch geworden ist feiern wir an Weihnachten. Dass in dem kleinen Kind, dem Jugendlichen und schließlich dem Mann der predigend und heilend durch das Land zieht Gott unter den Menschen lebt, deutet Uwe Appold in seinem ersten Fenster mit einem kleinen goldenen Stück Glas an, dass rechts unten an der dunkelgrauen Glasfläche angebracht ist. Auch im dunkelsten Grau ist Streifen des himmlischen Goldes da. Selbst wenn Jesus am Ende am Kreuz hängt ist er immer noch Gott und selbst im Tod verlischt sein Licht nicht. Das Ineinander von Gott und Mensch in Jesus versucht Uwe Appold in dem ersten Fenster auch dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er Teile der Edelstahlstangen, die an sich einen silbrigen Glanz haben, vergoldet. Silber steht für Jesus den Gottessohn und Gold steht für Gott den Vater. Beide zusammen wirken beim Werk der Menschwerdung und beim Weg des Gottessohnes auf der Erde zusammen. Damit will uns das erste Fenster hinweisen auf den Weg Jesu Christi aus dem Himmel auf die Erde. Es ist ein Bekenntnis zum menschgewordenen Gott, der uns Menschen so wert geachtet hat, dass er selbst einer von uns wurde. Am Ende seines irdischen Seins ist er gestorben, auferstanden und zum Himmel aufgefahren. Damit ist unser Menschsein durch Christus ein Teil der göttlichen Welt geworden. Wir sind angenommen und gut aufgehoben bei unserem Gott, der unsere eigenes Leben selbst durchlebt und durchlitten hat. Die Fenster von Uwe Appold dienen dem gleichen Zweck wie das große Wandfresko in unserer Kirche. Beide wollen uns anleiten immer wieder „aufzusehen zu Jesus dem Anfänger und Vollender des Glaubens“ (Heb 12,2). Wenn das gelingt, erfüllen sie ihren Zweck und dienen uns dazu, immer wieder neu den Blick zu Jesus zu erheben. Von ihm haben wir das Heil zu erwarten. Er allein ist nach diesem Leben wieder zu Gott zurückgekehrt und lebt in seiner Herrlichkeit. Damit wir den Blickkontakt zu ihm nicht verlieren im Getriebe dieser Welt und unseres kleinen Alltags sollen diese fünf Fenster unseren Blick zu Christus lenken. Das möge uns immer wieder neu geschenkt werden. Amen.
|