Predigt zum 2. Kirchenfenster, "Das Brot des Lebens"
(04.08.2004)
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Modell
Original

Heute steht das zweite Fenster des Entwurfs für unsere neuen Kirchenfenster im Mittelpunkt der Predigt. Uwe Appold hat auf diesem Fenster die Christuszeichen angebracht, die auf jedem einzelnen Fenster zu sehen sind. Es findest sich der das Christusmonogramm mit der Abkürzung des Namens „I“ und „X“. Das sind die griechischen Buchstaben, mit denen die Worte „Jesus“ und „Christus“ beginnen. Sie liegen deutlich sichtbar quer über dem unteren linken Teil des Fensters.

Auch das zweite Christuszeichen fehlt nicht. Hier ist es so deutlich, dass man es höchsten deshalb übersieht, weil es so groß ist. Uwe Appold hat auch auf diesem Fenster ein rotes Glas angebracht, das ein Hinweis auf die fünf Wundmale Jesu ist. Es ist die rechte der beiden großen farbigen Glasscheiben, die den ersten Eindruck des ganzen Fensters bestimmen. Die beiden großen Scheiben stehen in Beziehung zu den beiden kleinen roten und blauen Scheiben, die auf dem ersten und dem fünften Fenster den Anfang und den Abschluß einer Bewegung über alle fünf Fenster hin bilden.

Quer über dem roten und dem blauen Glas liegt aus Metallstangen geformt der Umriss eines Brotlaibes. So sehen Brote aus, die bei uns im Bäckerregal liegen. 1-1½ kg schwer, Mischbrot. Einfach und nahrhaft. Auf dieses Brot, das für viele von uns das tägliche Brot ist, nimmt Uwe Appold Bezug. Er will uns nicht mit Fladenbrot, oder einer anderen Brotform konfrontieren, die vielleicht Jesus und die Menschen im Alten Israel benutzt haben, sondern an unser tägliches Brot erinnern, das wir essen. „So zeichnet ein Kind ein Brot“ sagte er bei der ersten Vorstellung des Entwurfes...

Das Brot weist uns auf die zahlreichen Zusammenhänge und Querverbindungen hin, die es im christlichen Glauben zum Brot gibt. Im Evangelium haben wir eine der berühmtesten Geschichten der Bibel gehört: die Speisung der Fünftausend mit fünf Broten und zwei Fischen (Mt. 14,13-21). In dieser Geschichte gibt es einen doppelten Hunger, der von Jesus gestillt wird. Zuerst gibt es einen Hunger der Menschen nach der Begegnung mit Jesus. Sie wollen ihn sehen, vor allem aber ihn hören. Sie sind hungrig nach seinen Worten. Jesus vermochten den Hunger der Herzen zu stillen. Die Menschen brauchten das – damals wie heute. Die Reaktion der Menschen an diesem Tag ist nicht aufgeschrieben worden, aber die Jünger, die immer mit Jesus zusammen waren, haben es einmal in Worte gefasst: „Herr du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Das haben die Menschen bei der Speisung der Fünftausend auch erlebt. Sie waren gesättigt durch das was sie mit Jesus erlebt hatten. Darüber vergaßen sie sogar ihre elementarsten leiblichen Bedürfnisse. Keiner hatte an Essen gedacht. Erst als der Magen unüberhörbar knurrte, fiel ihnen ein, dass dieser Hunger auch gestillt werden musste. Jesus tat das mit einem spektakulären Wunder. Die fünf Brote und zwei Fische, die die Jünger zusammenkratzen konnten, vermehrten sich unter Jesu Hand so, dass alle satt wurden. An dieses Brotwunder erinnerten sich alle die dabei waren. Bis heute kennen wir diese Geschichte von der Speisung der fünftausend. Bis heute feiern wir Gottesdienst, um satt zu werden. Wir wollen Anteil haben an dem Lebensbrot, das Jesus gibt, ja dass er selbst ist.

Die Jünger und alle ihre Nachfolger haben den Auftrag, die Worte des Lebens weiterzusagen, die von Jesus kommen. In der Apostelgeschichte befiehlt ein Engel den Jüngern: „redet zum Volk alle Worte des Lebens“ (Apg 5,20). Genauso haben Christen die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Menschen zu essen haben und auch die anderen Bedürfnisse des Lebens nicht zu kurz kommen. Bis heute geht es im Glauben um den Hunger unserer Seele und in der Hilfe, die wir anderen geben, um den Hunger nach Brot – in welcher Form auch immer.

Unser Brotfenster schlägt darüber hinaus auch die Brücke zum Abendmahl. Brot und Wein gehören zum Mahl in dem wir uns mit Christus vereinen und die Gemeinschaft untereinander bekräftigen. Auf dem nächsten, dem dritten Fenster finden wir den Kelch, dargestellt durch die gelbe Schale über dem blauen Quadrat. Auf unserem zweiten Fenster ist das Brot. Zusammen bilden beide Fenster eine kleine Gruppe in der Reihe der fünf Fenster. Sie stellen uns die beiden zentralen Elemente des Abendmahls vor Augen!

In unserem zweiten Fenster wird die Bedeutung des Abendmahls dadurch gezeigt, dass das Brot die beiden Scheiben, rot und blau, verbindet. Der Riss zwischen den beiden Scheiben ist nicht ohne Absicht dort. Er zeigt die Zerrissenheit der Welt in ihren Gegensätzen. Rot und Blau als Kontrastfarben drücken das aus. Wie zur Verstärkung der Grenze zwischen beiden Farben liegt der Buchstabe „I“ zwischen den beiden Scheiben. Erst im untersten, etwas abgeknickten Teil bildet er mit dem „X“ zusammen eine kleine Brücke. Die eigentliche Brücke ist aber das Brot. Es liegt groß und sogar überlappend über beiden Scheiben und verbindet damit die Gegensätze. Das tut auch das Abendmahl als Mahl der Versöhnung zwischen Mensch und Gott. Im Abendmahl feiern wir diese Gemeinschaft von zwei sehr gegensätzlichen Wesen: Mensch und Gott. Diese Gemeinschaft war in Jesus Christus als Person einmalig verwirklicht.

Uns allen ist das nicht gegeben. Wir sind sündige und sterbliche Menschen, aber für uns gibt es das Abendmahl als Feier der Gemeinschaft mit dem menschgewordenen Gott. Im Abendmahl können wir die Überwindung der Gegensätze erfahren. Wir können in der Mahlgemeinschaft auch die Gegensätze, Verstimmungen und Feindschaften unter uns überwinden.

Im Abendmahl vereinigen wir uns als christliche Gemeinde mit unserm Haupt. Wie es der Kolosserbrief über Jesus sagt: „Er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde“ (Kol. 1,18). Zugleich begegnen wir im Abendmahl Gott, der in Jesus mitten unter uns ist. Denn Jesus Christus „ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf der Erde ist ... Und er ist vor allem und es besteht alles in ihm“ (Kol. 1,15+16a+17). So schreibt es der Kolosserbrief, so haben wir es vorhin in der Lesung gehört.

Wenn in Jesus alles geschaffen ist, und in ihm alles besteht, dann ist er auch der Überwinder aller Gegensätze, die wir kennen und erleben.

In ihm fallen die Gegensätze in sich zusammen.

Bei Jesus und im Glauben an ihn gibt es keine Gegensätze zwischen Menschen. Weder zwischen Männern und Frauen, noch zwischen Schwarz und Weiß. Bei Jesus sind alle Menschen Kinder des allmächtigen Vaters. Gleich wert und gleich geachtet. bei Jesus gibt es keine Gegensätze zwischen Arm und Reich oder Jung und Alt. Die Liebe Gottes zu seinen Kinder überwindet alle Schranken, oder wie er es uns gesagt hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Das heißt eben auch, halte die Gegensätze zu deinen Mitmenschen nicht für unüberwindlich. Die Liebe überwindet alle Gegensätze – man sagt ja sogar sprichwörtlich, dass in der Liebe sich die Gegensätze anziehen...!

Der Kolosserbrief führt uns zurück zum Kreuz, dass das Versöhnungszeichen für die Welt ist: „Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in Christus Jesus alle Fülle wohnen sollte und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz“ (Kol. 1,19-20). Deshalb ist für uns die Rede vom Kreuz und vom Blut, dass Jesus am Kreuz vergossen hat nichts abschreckendes, sondern eine tröstliche Botschaft, die zu den „Worten des Lebens“ gehört, an denen sie Seele ihren Hunger stillt. Im Mahl, in Brot und Wein wird uns Versöhnung und Frieden geschenkt. Mit Gott und untereinander. Deshalb lasst uns mit frohem Herzen gleich das Mahl der Versöhnung feiern.

Das zweite Fenster, das Brotfenster will uns immer daran erinnern, dass die Versöhnung in Jesus geschehen ist und dass sie gegenwärtig wird in den „Worten des Lebens“ und in Brot und Wein des Abendmahls.

Amen.