Predigt zum 4. Kirchenfenster, "Die Krone des Lebens"
(18.08.2002)
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Modell
Original

Das vierte Fenster in der Reihe der Entwürfe ist heute Grundlage für die Predigt.

Auf dem Fenster, sind wie auf allen anderen, die beiden Christus-Zeichen angebracht, die Uwe Appold als durchgängiges Element für die Gestaltung der Fenster gewählt hat. Es finden sich die Buchstaben „I“ und „X“, die im griechischen Alphabet für die Anfangsbuchstaben des Namens „Jesus Christus“ stehen, ebenso wie ein rotes Glas, dass an die fünf Wundmale Jesu Christi erinnert. Damit ist auch dieses Fenster in den Dienst der Verkündigung des gekreuzigten Heilands gestellt.
Mit dem vierten Fenster beginnt ein neuer Abschnitt in der Reihe der fünf Fenster. Auf den ersten Blick fallen die Farben ins Auge. Das vierte und das fünfte Fenster haben die Farbe Grün, die vorher noch nicht benutzt wurde.
Auf dem vierten Fenster fällt als nächstes der Kreis ins Auge, der im unteren Teil des Fensters angebracht ist. Zwei Edelstahlringe bilden einen Doppelkreis, in den drei kleine farbige Gläser eingelassen sind.
Über dem Kreis ist eine quadratische Scheibe angebracht, die mit ihrem oberen Rand die abschließende Edelstahlstrebe berührt.
Diese Anordnung ergibt einen bewußten Kontrast zu dem dritten Fenster, in dem über dem blauen Quadrat ein goldgelber Halbkreis angebracht ist.
Auf unserem vierten Fenster befindet sich ein vollständiger Kreis unter dem grünen Quadrat. Damit ist der optisch leichtere Teil des Fensters unten, während das schwerere Quadrat darüber zu schweben scheint. Inhaltlich ist der Kreis das gewichtigere Teil des Fensters. Der Kreis ruft bei uns Assoziationen an die Krone hervor. Damit kann dann die Dornenkrone gemeint sein, die Jesus trug, aber auch die „Krone des Lebens“, von der in der Offenbarung des Johannes geredet wird (Offb 2,10).
Zur Dornenkrone passen auch die beiden Stangen, die durch den Buchstaben „X“ in den oberen Rand des Kreises hineinragen. Sie erinnern an die Stangen, mit denen Jesus während seiner Folterung auf den Kopf geschlagen wurde, auf dem die Dornenkrone saß.

Zur „Krone des Lebens“ passen die bunten Gläser, die dem Kreis heiteres und lichtes Aussehen geben. Diese Krone sollen wir einmal tragen, wenn wir in das Reich Gottes eingehen. Deshalb ermahnt uns die Offenbarung des Johannes, im Glauben zu bleiben: Dort heißt es „Halte was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ (Ofb. 3,11). Wer dieses Fenster sieht, darf getrost in dem Kreis seine „Krone des Lebens“ sehen und sich darauf freuen, dass wir in Gottes Reich aufrecht gehen können und geschmückt werden mit dem Symbol, dass auf unserer Erde Königen und Herrschern vorbehalten ist.

Für den Kreis auf dem vierten Fenster gibt es aber noch eine andere Deutung, die Uwe Appold selbst anregt: Der Kreis ist das Symbol der Vollkommenheit und der Unendlichkeit. Ein Kreis hat im Gegensatz zu Linien und eckigen Figuren keinen Anfang und kein Ende. Er ist eine geschlossene und damit perfekte Form. Und wer sich immer im Kreis bewegt, kann das unendlich lange tun, ohne vorwärts zu kommen. Diese beiden Eigenschaften haben den Kreis schon sehr früh zu einem Bild für den Himmel, das All oder für Gott werden lassen. Der Kreis umfaßt immer etwas. Und so wie ein Kreis umfaßt Gott diese Welt. Er umfaßt sie zeitlich, weil er ewig ist und wir der Vergänglichkeit unterworfen, er umfaßt sie aber auch räumlich, weil er als der Schöpfer größer ist als das Geschaffene.
In der Sprache der Bibel heißt das so: Dort spricht Christus am Ende des letzten Buches der Bibel: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Offb) 22,13.
Wer hinsieht, kann erkennen, dass diese beiden Buchstaben, die im griechischen Alphabet den Anfang und das Ende bilden auch auf unsrem vierten Fenster zu sehen sind. Die Enden der Streben des „X“ und die untere Querstrebe bilden ein „A“ und der Kreis selbst lässt sich als ein „O“ lesen. Damit ist der Kreis zu einem Christuszeichen geworden, das viele Bereiche des Wesen von Jesus Christus in sich vereinigt. Der Kreis zeigt uns die Vollkommenheit der Gottheit, die in Jesus Christus präsent war. So haben wir es in der Lesung als dem Kolosserbrief am Anfang gehört:

In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,
und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
(Kol 2,9-10)

Das ist bis heute ein schwer zu begreifender Teil des christlichen Glaubens, dass in dem Menschen Jesus Christus die Fülle der Gottheit leibhaftig auf Erden war. Darüber können wir nur staunen und an Weihnachten mit Martin Luther singen:
„Den aller Welt Kreis nie beschloß,
der liegt in Marien Schoß,
er ist ein Kindlein worden klein,
der alle Ding erhält allein“ (EG 23,3)

Dass dieser Mensch, in dem die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnte, der gleiche ist, der die Dornenkrone auf seinem Haupt trug und von römischen Soldaten verspottet, gefoltert und getötet wurde gehört zu den großen Geheimnissen Gottes. Es zeigt uns, dass Gott trotz aller Größe, trotz seiner Ewigkeit nicht als Mächtiger und Gewaltiger zu uns kommt, sondern als ein Mensch, der unsere Schwachheit auf sich genommen hat und der sich der Gewaltlosigkeit bis zu letzt verschrieben hat. Dass wir in Jesus Christus nicht nur den Menschen sehen, sondern Gott, das ist das Wunder des Christusgeschehens. Wenn wir im Johannesevangelium hören, dass Jesus spricht: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9), dann ermessen wir, welche Provokation dieser Satz für die Zeitgenossen war. Es ist bis heute unvorstellbar, in einem Menschen die Gottheit zu sehen. Deshalb bleiben auch alle Bilder, die wir uns von dem Menschen Jesus Christus machen, an der Oberfläche. Wir können nur mit den Augen des Glaubens weiter sehen. Auf diesen Weg will uns auch das vierte Fenster leiten. Dazu hat der Künstler das vielschichtige Symbol des Kreises in seinen Entwurf miteinbezogen.

Wir können darin ein Symbol der Vollkommenheit und der göttlichen Fülle sehen, wie sie in Jesus Christus leibhaftig war,
wir können darin die Dornenkrone sehen, die Jesus im Leiden trug,
wir können darin aber auch die „Krone des Lebens“ sehen, die uns im Reich Gottes verheißen ist.

Alle drei Deutungen sind in dem Entwurf für das vierte Fenster angelegt.
Nun bleibt aber noch das grüne Quadrat, das über dem Kreis angebracht ist.
Die Farben verlaufen in waagerechten Streifen, von Gelbgrün über ein mittleres Grün zu einem Blaugrün. Das Grün steht also zwischen Blau und Gelb. Damit wird der Farbverlauf des dritten Fensters noch einmal aufgenommen. Aber durch das Grüne tritt eine neue Bedeutung hinzu. Grün ist die Mittelfarbe, sie entsteht aus der Mischung der beiden Grundfarben Blau und Gelb. In der klassischen Farbenlehre ist Grün die Farbe der Hoffnung.

Das grüne Quadrat steht als Hoffnungszeichen am obersten Rand der Begrenzung. Es strebt fast schon darüberhinaus. Die beiden kleinen gelben Scheiben, die oben auf den Seiten neben der großen grünen Scheibe stehen unterstreichen diesen Eindruck noch. Das grüne Quadrat strebt zum Himmel. Das ist das Ziel der Hoffnung. Das ist das Ziel der Christen. Im Himmel werden wir die „Krone des Lebens“ empfangen, für die der Kreis steht.

Und dass wir darauf hoffen können, verdanken wir Jesus Christus, der uns zugute Mensch geworden ist und für uns gelitten hat. Deshalb steht das Hoffnungsquadrat auf dem Kreis. Denn die Hoffnung von uns Christen gründet sich auf Jesus Christus in dem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt. „Und an dieser Fülle habt ihr teil in ihm, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist“ (Kol 2,10). Durch Jesus und unseren Glauben an ihn haben wir teil an der Fülle Gottes. Wir haben Leben die Fülle, schon hier auf Erden und erst recht bei ihm in seinem Reich. Darauf hoffen wir und vertrauen auf nichts Menschliches, das doch keinen Halt bieten kann in den reißenden Strömen des Lebens. So können wir leben, gegründet in der begründeten Hoffnung auf Gott. Von seiner Liebe trennen uns weder Naturkatastrophen, noch Gewalt und Terror. Nicht einmal der Tod trennt uns von ihm. Seine Liebe zu uns bringt uns dereinst über diese Grenze und schenkt uns die „Krone des Lebens“.

Amen.